Die Zahlen-Visionärin Ada Lovelace

Von der Wissenschaft ausgestoßen

Die Informatik ist ein von Männern dominiertes Feld. Umso erstaunlicher ist, dass am Anfang der Programmierung eine Frau stand: Die britische Mathematikerin Ada Lovelace (1815-1852) entwickelte ein Computerprogramm zu einer Zeit, als es noch gar keine Computer gab.

„Ich glaube“, schreibt die 19jährige Ada Byron in ihr Tagebuch, „dass nichts anderes als genaue und intensive Beschäftigung mit Themen wissenschaftlicher Natur meine Phantasie am Durchdrehen und die Leere ausfüllen kann, die der Erlebnishunger in meinem Geist zurückgelassen hat.“ Gerade erst war eine Affäre unglücklich zu Ende gegangen. Noch im selben Jahr wird sie mit William King, dem Earl of Lovelace verheiratet. Doch weder den Drang nach Wissenschaft noch den Erlebnishunger kann diese unglückliche Ehe stillen.

Den Erlebnishunger erbte Ada von ihrem Vater, dem berühmt-berüchtigten Herzensbrecher Lord Byron, den sie nie persönlich kennenlernen sollte. Die Begeisterung für Wissenschaften hingegen förderte ihre Mutter Annabella Milbake, die dem romantischen Erbe ihres verhassten Ex-Mannes entgegen wirken wollte. Ada selbst interessiert sich besonders für Mathematik und Musik. Bei ihrer engen Freundin, der Mathematikerin Mary Somerville, beschwert sie sich, dass ihr die kurz hintereinander geborenen Kinder wenig Zeit für ihre beiden Leidenschaften lassen. Auch der Kontakt zu der Londoner Wissenschaftsszene schläft allmählich ein, da Ada durch ihre Pflichten an das Haus gefesselt bleibt.

Charles Babbage und eine unglaubliche Rechenmaschine

Nur eine Verbindung zur Wissenschaft bleibt bestehen: Mit dem Cambridger Mathematikprofessor Charles Babbage verbindet sie eine enge Freundschaft. Babbage hatte Ada mit seinen Plänen für eine „Differential Engine“, einer Rechenmaschine beeindruckt. Englische Wissenschaftler hingegen standen dem Apparat skeptisch gegenüber. Bei der Präsentation vor dem Premierminister kam es zum Eklat. Doch wenngleich das erste Projekt gescheitert war, wollte Babbage mit Plänen für eine neue, noch bessere Rechenmachine, der „Analytical Engine“ ein Comeback wagen.

Regelmäßig diskutiert Ada auf ihrem Landsitz mit Babbage. Zumindest im Ausland stößt die Analytical Engine auf positives Echo. Der italienische Wissenschaftler Frederico Luigi Menabrea ist davon so begeistert, dass er sie in einem zwanzigseitigen Artikel ausführlich erläutert. Babbage ist begeistert, denn ihm selbst liegt das wissenschaftliche Schreiben nicht. Erfreut durch den Rückhalt durch den Italiener möchte er dessen Text auch in England veröffentlichen. Einziges Problem: Der Artikel ist auf Französisch, welches Babbage nicht beherrscht.

Die weltweit ersten Computerprogramme

Auf Bitte ihres Mentors machte sich Ada an die Übersetzung. In seiner Autobiografie schreibt Babbage: „Ich fragte sie, warum sie nicht selbst einen Original-Aufsatz über dieses ihr so wohlvertraute Thema geschrieben habe. Darauf erwiderte Lady Lovelace, dieser Gedanke sei ihr nicht gekommen. Ich schlug dann vor, dass sie dem Menabrea-Protokoll einige eigene Anmerkungen beifügen sollte.“ Mit Feuereifer beginnt Ada. In monatelanger Arbeit bringt sie ihre Gedanken zu Papier, stellt eigene Berechnungen an und schrieb ein eigenes Programm, das eine Reihe von Rechenbefehlen enthält, deren Prinzipien sich in modernen Computern wiederfinden. Informatiker bezeichnen es heute als das erste Computerprogramm. Auch über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Analytical Engine lässt sie sich ausführlich aus. Sie selbst ist davon überzeugt, dass eine Maschine eines Tages auch in der Lage sein würde, Musik zu komponieren und Bilder zu erstellen.

Die mit Anmerkungen gespickte Übersetzung veröffentlicht Ada unter dem Kürzel A.A.L. und stößt damit auf Anerkennung in der Fachwelt. Aus finanziellen Gründen wird die Analytical Engine nicht gebaut; den Gehalt ihres Konzepts kann Ada damit niemals überprüfen. Die Anerkennung für ihre Leistung wäre ihr wahrscheinlich trotzdem verwehrt geblieben.

Von der Wissenschaft ausgestoßen

Dass sich eine Frau für Mathematik interessierte, war im England der Romantik undenkbar und skandalös. Ada hingegen bezeichnet einige ihrer Erkenntnisse selbstbewusst als ihre eigenen, womit sie in der adligen Gesellschaft mehrfach aneckt. Selbst ihr Mentor Babbage schlägt eine weitere Zusammenarbeit aus. Auch die Suche nach einem neuen Mentor bringt der jungen Mathematikerin nur Absagen ein.

Als Reaktion darauf stürzt sich Ada in das Gesellschaftsleben, um ihren Hunger nach Erlebnissen zu stillen: Sie liebt Bälle und Konzerte, schwebt über die Tanzfläche und verdreht einer ganzen Reihe von Männern den Kopf. Unter ihren Affären sollen auch Charles Dickens und der Wissenschaftler John Crosse gewesen sein. Da sie sehr viel Geld ausgibt, beginnt sie, auf Pferde zu wetten – und muss mehrmals Familienschmuck versetzen, als sie sich vertippt.

Mit 37 Jahren stirbt Ada Lovelace an Krebs. Doch auch vor ihrem Tod scheint die Liebe zur Mathematik ungebrochen: In den letzten Lebensjahren soll sie sich angeblich mit der Ausarbeitung eines Systems für Pferdewetten beschäftigt haben.  

 

Text: Angelina Schmid